Neuer Weltrekord mit EN/LTF A-Schirm: Toni Brügger 214 km FAI
„250 km oder mehr sollten möglich sein“
Herzlichen Glückwunsch zu diesem epischen 213,97 km-FAI-Dreieck, Toni. Du bist in Mornera gestartet und nach Westen zum ersten Wendepunkt am Monte Rosa-Massiv geflogen. Der nördliche Wendepunkt lag westlich des Nufenenpasses. Der dritte Turnpoint lag einige Kilometer östlich von Bellinzona. Warum hast du die Route genau so geplant?
Durch die hohe Basis konnte ich den zweiten Wendepunkt von Airolo in die Nähe des Nufenenpasses verschieben. Damit waren für den dritten Wendepunkt noch vier unterschiedlich große FAI-Dreiecke möglich. Ich hatte ja noch größer geplant, so dass es am ersten Wendepunkt ein paar Kilometer abgeschnitten hat.
Gab es schwierige Stellen?
Die größte Herausforderung war der hochreichende Talwind in der Leventina, welcher durch den Südwind noch verstärkt wurde.
Wie gelingt es dir immer, so einen so hohen Schnitt zu fliegen. Bisher mit PHANTOM, dem ION und jetzt sogar mit dem AONIC, einem EN A-Schirm?
Durch die hohe Klappstabilität und das gutmütige Klappverhalten dieser Schirme kann ich eigentlich immer voll beschleunigt fliegen. Und man merkt auch klar, dass eine der wesentlichen Weiterentwicklung die immer flacher werdende Polare ist.
Du fliegst seit Jahren extrem weit mit niedrig kategorisierten Schirmen. Was ist der Grund dafür?
Ich habe das stressfreie Fliegen mit einfachen Schirmen – besonders in turbulenten Verhältnissen – richtig zu schätzen gelernt. Dadurch bleibt mir mehr Zeit, um richtige Entscheidungen zu treffen und auch nach zehn Stunden immer noch fit und entspannt zu sein. Zudem fliegt ein großer, gut beladener Low B – und auch der AONIC – mit einem top Gurtzeug einfach sehr gut. Ich brauche nicht mehr.
Würdest du mit einem höher eingestuften Schirm nicht noch viel weiter fliegen? Würde dich das nicht reizen?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich dadurch wirklich weiter fliegen könnte. Die Leistungsunterschiede der Schirmkategorien sind recht klein. Nur die 2-Leiner sind viel schneller.
Was denkst du, welches Potenzial der AONIC hat?
Schon 250 km FAI und mehr.
Empfindest du es nicht als langweilig mit einem A-Schirm zu fliegen, obwohl du ein so guter Pilot bist?
Der AONIC ist der erste A-Schirm, den ich je geflogen bin und er ist richtig schön zu fliegen. Nein, erstaunlicherweise ist das gar nicht langweilig.
Wie reagieren andere Piloten, wenn du mit einem Schulschirm daherkommst und auf Strecke gehst? Wie, wenn du ihnen um die Ohren fliegst?
Hmmm, ich erhalte eigentlich kaum Reaktionen darauf. Vielleicht finden sie beides eher uncool. Ich weiß es nicht.
Was sind für dich die herausragenden Merkmale des AONIC?
Der AONIC ist sehr stabil, hat ein intuitives Handling und steigt wirklich sehr gut. Insbesondere bei starken und turbulenten Bedingungen ist er ein sicherer und leistungsstarker Streckenflugschirm, der auch einem erfahreneren Piloten Spaß macht.
Erzähle bitte einfach mal vom Flug und vom Wetter.
Die Thermikprognose meldete einen guten Streckenflugtag mit einer sehr hohen Basis von 4000 Meter und leichtem bis mäßigem Südwind. Das tönte gut für das Tessin – ab nach Mornera!
Nach einem frühen Start und direktem Thermikeinstieg geht es zügig Richtung Cimetta. Die Basis liegt schon auf 3000 Meter. Den Monte Salmone lasse ich links liegen und fliege direkt ins Onsernone-Tal. Achtsam umfliege ich die TMA Locarno und weiter Richtung Centovalli. Der Zeitplan stimmt. Aber dann: Zack, das rechte Beschleunigerseil löst sich aus der Verankerung und entschwindet im Beinsack. Ohne Beschleuniger im Centovalli?! Ich fühle mich wie ein Blatt im Wind. Es ist nicht lustig. Soll ich den Flug fortsetzen?
Querung in den Nationalpark Val Grande: Zeit zu basteln… Der Versuch, das Beschleunigerseil wieder durch die Umlenkrolle zu bekommen, misslingt mehrfach. Ein kleiner Karabiner muss als Ersatz herhalten. Der Beschleuniger funktioniert nun einfach schwergängig, aber immerhin: er funktioniert.
Vor dem wichtige Querung ins Macugnaga-Tal stellt sich die Frage: Direkt anfliegen oder der Krete entlang möglichst nahe an den Taleingang? Ich wähle den sicheren Weg, aber der Umweg zahlt sich nicht aus. Knapp Grathöhe. Déjà-vu. Macugnaga hat wie erwartet viel Wind. Etwas Basteln, dann geht’s kräftig hoch. Der Zeitplan hinkt etwas. Also passe ich ihn an.
Am Monte Rosa hat es dann zu viel Wind. Ich komme kaum vorwärts. Der neue Zeitplan drängt. Noch einmal schieben, dann die erste Wende. Etwas kurz, das große FAI kann ich vergessen.
Ich fliege mit kräftigem Rückenwind nordwärts. Bei dem Speed kommt Freude auf! Weiter ins Formazza-Tal. Vor mir sehe ich Martin Moser und Bruno Bohren. Ich versuche ranzukommen, schaffe es nicht ganz. Am Basodino geht es auf 3800 Meter, einfach herrlich! Abgleiten direkt ins Val Bedretto, zweiter Wendepunkt, und weiter nach Airolo.
Mit zunehmendem Gegenwind geht es die Südwestflanken des Valle Leventina weiter zum Matro. Die Querung nach Osten bei Biasca könnte schwierig werden. Ich drehe noch einmal so richtig auf, dann die Querung… Die Höhe passt. Zuversicht kommt auf.
uf der Gegenseite stehe ich jedoch plötzlich voll im Talwind. Vorwärts geht schlecht, also umkehren und an der nächsten Kante aufsoaren bis zur rettenden Thermik. Das war knapp. Weiter, weiter – es ist schon spät. Ich nehme nun jede Thermik mit und schleiche südwärts. Immer wieder wird es knapp, aber immer reicht es.
Bei Lumino steht die Querung des Arbedo-Tals an. Es ist schon sehr spät, es hat kaum mehr Sonne. Ich bin zu langsam, um den dritten Wendepunkt noch weiter nach Osten nach Italien zu setzen. Ich nutze die Reste des Talwinds zum Soaren, aber hoch geht es nicht mehr. Auf dem Schleichpfad geht es zurück nach Bellinzona. Der Talwind bläst nun zum Glück schwächer als erwartet. Die Sonne ist weg. Ausgleiten. Landen.
Heute hat vieles gepasst. Ein eindrücklicher Flugtag geht zu Ende.
Allerdings! Danke, Toni für deinen Bericht und weiter viel Erfolg und Spaß.
Andrew Graham hat Tonis Track und jene seine Air Buddies auf Ayvri hochgeladen. Hier kann man seine Fähigkeiten als XC-Pilot bewundern und zu sehen, wie gut die AONIC funktioniert. Mehr über den „Weltrekordschirm“ auf www.nova.eu/aonic.
Toni Brügger beerbt übrigens mit diesem Flug Robert Schaller, ebenfalls NOVA Team Pilot. Robert gelang das erste +200 km FAI-Dreieck mit einem EN A-Schirm: Er war am 11. August 2015 von der Grente mit einem PRION 3 209,2 km geflogen.