NOVA Flachlandteam-Treffen in Siegritz/Fränkische Schweiz
„Gscheid schee woars – eine tolle Truppe!”
Am Vorabend des Flachlandteam-Treffens plädiere ich als Geländekoordinator der Drachen- und Gleitschirmfliegerfreunde Rhein-Mosel-Lahn e.V. in der Jahreshauptversammlung noch für den Verkauf unserer Winde, da seit Jahren kein anständiger Schleppbetrieb mehr zustande kommt. Warum auch, wir haben an Rhein, Mosel, Ahr und Lahn inzwischen doch Naturstartplätze für fast jede Windrichtung. Ich hätte zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht, dass ich zwei Tage später anders über die Windenfliegerei denken könnte...
Erst nach Mitternacht komme ich von der Versammlung nach Hause. Ich entscheide mich, gut ausgeschlafen und stressfrei ins Wochenende zum Teamtreffen zu starten. So komme ich erst gegen 14 Uhr im betriebsamen Schleppgelände Siegritz an (immerhin habe ich die lange Anfahrtszeit u.a. dafür nutzen können, die Schleppkommandos noch einmal aufzufrischen).
Auf der Suche nach mir bekannten Gesichtern treffe ich zunächst total überrascht auf Valerij Volkmann. Er war früher bei uns im Rheinland zu Hause und ist mittlerweile in Bamberg wohnhaft. Was für ein herzlicher Empfang: Valerij will mich sofort für abends einladen und macht schon Pläne fürs Wochenende. Seiner Frau schickt er sofort ein Selfie von uns. Ich kläre ihn über meine eigentliche Mission auf und sofort bekomme ich eine Kurzeinweisung ins Gelände und erste Streckenflugtipps. Valerij macht sich dann auf den Weg nach Hause, da der heutige Tag doch nicht das halte, was er sich erhofft habe. Tags zuvor flog er von Siegritz aus 111 km Freie Strecke...
Also halte ich weiter Ausschau nach meinen Teamkollegen – und werde dann auch fündig: Rupert Kellnhofer aus dem Bayerwald steht am Seil und wartet auf seinen Schlepp. Ein herzliches Hallo und kurzer Austausch und schon zieht ihn die ELOWIN in den Orbit. Ich schaue mich weiter um. Zwischen ca. zwei Dutzend Drachen- und Gleitschirmpiloten treffe ich dann auf NOVA-Chef Christian Wehrfritz. Es folgt ein nettes Gespräch und die Info, dass NFT-Captain Thoralf Hase (Dresden) zusammen mit Andreas Ziegler aus dem Südschwarzwald und Johannes Jakobi von der Schwäbischen Alb bereits seit mittags ihre Kreise über dem Frankenland drehen würden. Sie nutzen den besten Tag des Wochenendes und fliegen letztlich mehr oder weniger gemeinsam One-Way bis ins 100 km entfernte Würzburg.
Ich habe ein ganz anderes Problem: Wie komme ich überhaupt in die Luft? Seit 2003 hing ich nicht mehr am Seil. Und mein letzter Flug damals an der Winde endete nach einem Stolperer mit einem Kreuzbandriss... Total angespannt melde ich mich mit eingehängter alter FreeX-Schleppklinke beim Startleiter und erkläre ihm meine (Überforderungs-)Situation. „Alles kein Problem. Mach nur langsam. Bekommen wir schon hin. Kannst du die Kommandos?“ Fertig! Start! Und schon geht es sanft in die Höhe. Wer hätte das gedacht? War das früher auch so sanft und einfach? Und dann kommt das Beste: ich klinke aus und fliege kurz danach direkt in den Aufzug, der mich verlässlich bis zur Basis bringt.
Alle Anspannung fällt von mir ab und ich nehme mir nur noch vor, diesen Flug zu genießen und so lange wie möglich oben zu bleiben. Mit den Worten von Valerij im Ohr mache ich mich auf den Weg und bastele an einer kleinen Flugaufgabe. Ich genieße die Aussicht auf die liebliche Mittelgebirgslandschaft mit Wald und Wiesen und ihren kleinen Ortschaften, gespickt mit der ein oder anderen Burg oder Felsformation als I-Tüpfelchen. Immerhin gelingt mir letztlich ein 40 km FAI-Dreieck und die Landung neben meinem Auto. So geht also Windenfliegen! Es hat echt was!!!
Rupert ist da schon auf dem Weg nach Würzburg: Er lässt es sich nicht nehmen, den Shuttle-Dienst für die drei Jungs des Teams und einen weiteren Flieger zu übernehmen – und das, obwohl er bereits abends wieder Richtung Heimat fahren muss.
Während ich mein kühles Landebier genieße, erscheint Torsten Selig aus Leipzig mit seinem Camper, der diesen und den vorherigen Tag fliegerisch im Alten Lager für sich nutzen konnte. Da die Rückkehrer auf sich warten lassen, laufen wir beide schon mal zu unserem Quartier: das – auf einem Kletterfelsen gelegene - Naturfreundehaus Veilbronn mit Blick ins Leinleiterbachtal. Andreas sei Dank für das Finden und Organisieren dieser Unterkunft! Was für eine tolle Location! Bald kommen auch die „Würzburger”. Wir sitzen zusammen auf der Aussichtsterrasse und genießen Schnitzel und Schäufele und Fränkisches Bier. Bei deutsch-spanisch-portugiesisch-brasilianischem Fliegerlatein klingt ein ereignisreichen Tag gemütlich aus.
Nur für Rupert wird es leider noch anstrengend: Er muss uns – wie schon gesagt – bereits wieder verlassen. Die Pflicht ruft! Als Vorsitzender vom 1. Gleitschirmverein Bayerwald e.V. ist er am nächsten Tag sowohl für die Organisation des Retterpackens als auch die Veranstaltung der Jahreshauptversammlung verantwortlich.
Am Samstagmorgen begrüßen wir “Jungs” die schon sehnsüchtig erwartete “Principessa” Monika Gschwendtner, ebenfalls aus dem Bayrischen Wald, mit einem selbstgepflückten Wiesenblumenstrauß. Auch hätten wir gerne noch Markus Kaup aus Münster bei uns gehabt. Er hat seinen Ultraleichtflieger tags zuvor extra auf einen anderen Flugplatz umgeparkt, um sich kurz nach sechs Uhr morgens auf den mehr als 300 km langen Weg Richtung Südosten machen zu können. Leider scheitert er an dem nicht umfliegbaren Schlechtwettergebiet, was genau zwischen ihm und uns liegt. Er muss schweren Herzens umkehren. Echt schade, aber: Safety First!
Um zehn Uhr treffen wir uns im Schleppgelände und unterstützen zunächst einmal tatkräftig den ansässigen Verein „Nordbayerische Drachenflieger e.V.” bei einem für diesen Tag angesetzten Arbeitseinsatz. Gemeinsam schwingen wir Schaufel, Pickel und Besen. Schon bald sind die Arbeiten erledigt und es stehen Fleischkäse und Bier bereit. Auf der anderen Seite aber lockt die Aussicht auf weitere Flüge. Wir entscheiden uns für das Zweite. Inzwischen hat mit Marcus Hartmann aus der Rhön noch ein weiteres – und für dieses Wochenende letztes – Teammitglied den Weg nach Siegritz gefunden.
Thoralf übernimmt an diesem Tag den Schlepp mit der ELOWIN und zieht uns, unterstützt von 80er-Jahre-Musik, in die thermisch aktive Luft. Trotz des spürbaren Rückenwindes gelingt mir ein guter Start und schon wieder muss ich grinsen. Ich als eingefleischter Hangstarter bekomme gerade Gefallen am Windenfliegen – ist das möglich? Es geht gleich wieder Richtung Wolken. Auch Andreas kann noch das kurze Flugfenster vor der sich nähernden ersten Regenfront nutzen, der Rest der Mannschaft dann die kurze Phase danach, bzw. vor der darauffolgenden Regenfront.
Das Wetter entscheidet, dass wir früher zum gemütlichen Teil übergehen müssen. Der Abend im Naturfreundehaus wird dann tatsächlich lang und fröhlich und redselig. Während viel fränkischer Gerstensaft vertilgt wird, bändele ich irgendwann mit der roten Domina an. Es bleibt aber nicht bei der einen... Die Vierte haut mich dann fast um. Zum Glück rettet mich jedoch Thoralfs zusätzliche Brille und kann so doch noch einigermaßen den Durchblick behalten.
Den Sonntag gehen wir eher ruhig und gemütlich an. Die Wettervorhersage verspricht mittags Überentwicklungen und Regen. Wir entscheiden uns, nicht mehr an die Winde zu gehen, stattdessen ausgiebig zu frühstücken und dann allmählich die Heimreise in die vier Himmelsrichtungen anzutreten. Vorher nutze ich noch eine ausgiebige Wanderung durch das wunderschöne Naturschutzgebiet Leidingshofer Tal, um die letzten verbliebenen Dominareste auszuschwitzen.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht und vielen neuen Eindrücken, Erlebnissen, Begegnungen und Gesprächen im Gepäck und der unerwarteten Erkenntnis, dass auch Windenfliegen spaßig sein kann, mache ich mich am Sonntagnachmittag auf den Heimweg. Schön, dass es endlich mal wieder mit einem „echten” Treffen geklappt hat. Schön, dabei gewesen zu sein. Ein gelungenes und unvergessliches Wochenende mit bemerkenswerten Menschen, die eine gemeinsame Leidenschaft verbindet, liegt hinter mir und dem NOVA-Flachlandteam. Wie sagt Moni in typischem Idiom: „Gscheid schee woars – eine tolle Truppe!” Es verlangt nach einer Wiederholung!
Ralf Böhm