Tag 3
NOVA Red Bull X-Alps-Blog: DI, 22.06.2021
Generell ist die Etappe hinüber nach Lermoos eine schwierige. Ich wohne im Chiemgau (heute schreibt Till Gottbrath) und alleine schon die Querung des Inntals ist eben keine „g'mahte Wiesen“! Es ist schwer, auf der Westseite Anschluss zu finden. Und hat man diesen doch gefunden, gibt es keine Route, die sich aufgrund ihrer Topografie aufdrängt. Hinzu kommen teils wenige bis keine Landeplätze. Kein Wunder, dass sich die Tracks der Athleten weit von Nord nach Süd aufspreizen:
- Oben herum über Schliersee, Tegernsee, das Weißachtal und weiter durchs Karwendel
- Eher mitten durch, vorbei am Sudelfeld und dem Vorderen Sonnwendjoch, dem Guffert und dann durch ins Karwendel
- Ganz im Süden auf der Nordseite des Inntals entlang
- ...und schließlich noch eine Kombination aus den obigen Optionen
Der Nachtrag vom Vorabend – und der ist wichtig!
Ca. 20 Uhr: Magic Move von Chrigel Maurer! Der Spitzenpulk mit Paul Guschlbauer, Aaron Durogati, Patrick von Känel und eben Chrigel liegt recht dicht beieinander. Aber Chrigel lässt sich bei der Querung des Inntals etwas weiter nach Süden versetzen. An einem unscheinbaren Gipfel mit dem nicht „aufregenden“ Namen Dümpfel kann er etwas Höhe machen und kurz darauf recht hoch am Wendelstein einladen. So konnte er dort am Gipfel starten und nach der Talquerung nach Süden abends um 20.15 Uhr an der Heißenplatte – nomen est omen für späte Bärte? – aufdrehen. Und dann flog er eine seiner Magic Lines: Ohne viel Höhe zu verlieren weiter Richtung Tegernsee. Höhe machen an der Baumgartenschneid. Das reicht, um zum Wallberg zu queren, wo es nochmals raufgeht (20:38).
Seine engsten Verfolger – Paul, Patrick und Aaron – starten derweil gemeinsam am Schweinsberg (etwas niedrigerer Gipfel westlich des Wendelsteins) und queren auch auf die Heißenplatte. Aber die ist mittlerweile abgekühlt. Und während Chrigel noch ein paar Kilometer das Weißachtal bis zum Achenpass hinauffliegt, müssen die anderen drei bei Neuhaus landen. Da ist er also, der Vorsprung. Der große Meister hat wieder zugeschlagen. Am Ende des Feldes zog der Russe Andrei Mashak derweilen seinen Night Pass, um der Eliminierung zu entfliehen, aber er konnte keinen Boden gutmachen. Als erster Pilot wird er „eliminiert“. Ich persönlich finde das schade, was meint ihr dazu? Sollen nicht alle so lange mitmachen dürfen, wie sie können und wollen?
Race Day 3 (Dienstag 22.6.2021):
Die erprobten X-Alps-Veteranen Gavin McClurg (USA 1) und Nick Neynens (NZL 1) befinden sich überraschender Weise auch sehr weit hinten, konnten aber ebenso wie Michel Lacher (GER 3) Boden gut machen. Dennoch müssen sie sich allesamt ranhalten. Im Mittelfeld finden sich einige Beispiele, wann Laufen sinnvoll ist und wann nicht: Der Pole Michael Gierlach wanderte in einem großen Bogen nordwärts um die Kampenwand, stieg auf die Hochries und flog vom Kranzhorn über das Inntal. Gut gemacht. Und dann packte er einen Hammerflug aus, flog vom Brünnstein (Inntal) bis zum Eibsee (bei Garmisch) und schob sich von Platz 14 auf 10 nach vorne.
Das Spitzenfeld
Anders als von vielen erwartet, konnte sich Chrigel nicht absetzen. Er musste mehrfach kurz in den Bergen des Karwendels einladen, weil er nicht ausreichend Höhe zum Wegfliegen gewann. Hinter ihm konnten seine Verfolger Aaron, Patrick sowie neu Benoit Outters Boden gut machen. Fast gleichzeitig starteten sie auf der Südseite des Grubigsteins – geschützt vor dem Nordwind im Lee.
Derweil schob sich von Südwesten immer mehr Bewölkung herein und machte es weiter hinten immer schwieriger Anschluss zu halten. Die Basis sank auf unter 2000 Meter.
Schwarzer Tag für NOVA
Theo de Blic begann den Tag mit einer echten Geduldsprobe am Wilden Kaiser: Er soff nicht ab, kam aber auch lange nicht richtig hoch und malte eine große Portion Track-Spaghetti in die Karte. Irgendwann reichte die Höhe, und er sprang nach Norden an den Zahmen Kaiser, wo ihn Geduldsprobe Nr. 2 erwartete… Nochmals einen Wollknäuel ins Live Tracking malen… Nach diesem verheißungsvollen Start kam er im Verlauf des Tages fliegend nicht entschieden voran und hakte den Turnpoint Achental letztlich zu Fuß ab.
Nick Donini traf noch gestern Abend eine taktisch eher unkluge Entscheidung: anstatt wie die vor ihm liegenden Piloten noch möglichst weit Richtung Marquartstein zu wandern, stieg er heute früh hinauf auf den Exenberg (der Startpatz ist auch als Taubensee bekannt; direkt nördlich von Kössen). Dort gab es thermisch in der Früh aber nichts zu holen, so dass er nur bis kurz vor den Segelflugplatz in Unterwössen abgleiten konnte. Danach nahm er den Wendepunkt Achental zu Fuß. Wenig Strecke gut gemacht, dafür Zeit verloren.
Ken Oguma erwischte es gegen Abend richtig böse. Zu Beginn des Tages lief es sowohl taktisch als auch fliegerisch noch prima! Er startete recht früh an der Hochplatte, erkämpfte geduldig Meter für Meter und machte sich auf den Weg Richtung Lermoos. Unterwegs konnte er Steve Bramfitt, Cody Mittanck, Eduardo Garza und seinen Landsmann Kaoru Ogisawa überholen. Aber dann beging er einen verhängnisvollen Fehler. Er landete nördlich der Sudelfeldstraße ein, um von dort hinauf zum Wildalpjoch zu steigen. Dort startete er im mittlerweile sehr kräftigen Bayerischen Wind nach Norden und hangelte sich an Wendelstein & Co. weiter nach Westen. Irgendwann entschloss er sich nach Süden die Talseite zu wechseln – und wurde vom Monsterlee hinter dem ganzen Massiv gefressen. Mit extremem Sinken fiel er zwischen Bayrischzell und Fischbachau förmlich vom Himmel und erwischte bei der Landung einen Baum.
Das Gute ist: Ken verletzte sich dem ersten Eindruck nach nur leicht und befindet sich bereits in ärztlicher Betreuung im Krankenhaus in Agatharied. Sein Team und Toni Bender sind bei ihm und es besteht kein Grund zur Sorge. Aber das Rennen dürfte für den sympathischen Japaner zu Ende sein.
Soviel für heute. Gruß aus Aschau
Till Gottbrath (Kapitän des NOVA Pilots Team)
Das Video zu Tag 3 findet ihr hier. Weitere aktuelle Clips könnt ihr auch in unserer Facebook-Playlist ansehen.
PS: Danke für die Fotos an das NOVA Media Team & Felix Steinmaßl.