Tag 1
NOVA Red Bull X-Alps-Blog: SO, 20.06.2021
Low-level-act in Perfektion
Ein trüber Himmel, keine Cumuli, Wind und Hitze empfing das Feld nach dem Aufstieg zum Gaisberg. Die Nachzügler hatten keine Mühe, sich in den Pulk vor dem Startplatz einzureihen. Keiner wagte loszufliegen. Hundert Meter mehr oder weniger Höhe entschieden über das Weiterkommen beim nächsten Hügel, wenn man die ersten Berge südlich von Salzburg so nennen darf. Mit wenigen hundert Metern über dem Gaisberg musste man dann doch mal los. Einer der ersten, die einen Ausreißer in tiefere Lagen riskierten, war Ken Oguma (JAP). Er markierte an einem Waldhang tief in einem Tälchen drin die Stelle, wo sich noch manches Drama hinter ihm abspielte. Er selber zog sich mit einem einzigen Schlauch aus der Affäre und war wieder im Rennen – das er mit seinem Husarenritt sogar angeführt hatte. Die nächsten Stunden und die paar Dutzend Kilometer bis zum Tennengebirge waren an Spannung kaum zu überbieten. Pulks bildeten sich, Ausreißer büßten ihren Vorwitz, Verfolgerfelder überholten.
Prominente Opfer
Es kam, wie es kommen musste: Bald standen die ersten in den lieblichen Vorlalpen des Salzburgerlandes am Boden. Mit Nordwestwind ging es östlich am Tennengebirge vorbei. Aber schon weit vor dieser Schlüsselstelle gab es prominente Opfer. Bei dieser geringen Arbeitshöhe und schwierigem Talwind und Nordwestwind stand Man(n) und Frau ruckzuck im Gras. Théo de Blic (FRA) reihte sich in eine Wandergruppe aus USA1 und GER1 ein: die dreifachen X-Alps-Teilnehmer Gavin McClurg und Manuel Nübel. Das mag ein kleiner Trost sein für den sieggewohnten Franzosen. Aber besser ging es auch den Austria- und Deutschen Rookies Thomas Friedrich und Michael Lacher nicht. Auch sie mussten in den Hügeln wandern gehen und sahen gegen sechs Uhr abends noch nicht ins Pongau hinunter. Nicht jeder wird heute Abend den Gleitflug zur Kontrolltafel in Wagrain Kleinarl machen können und vielleicht schaut sich mancher nach einem Startplatz zur Wende für morgen früh um.
Oguma und Donini unter den Ausreißern
Nicola Donini (ITA), der dritte unserer NOVA-Piloten, konnte wieder von seiner großen Erfahrung im Pulkfliegen profitieren und zeigte eine starke Leistung über die ganze Flugzeit. Auch er wird die Boje Kleinarl heute noch anfliegen und sich mit wenig Abstand zur Spitze schlafen legen. Einen echten Ausreißer an der Spitze gab es nicht. Etliche Favoriten waren immer nahe vorn dabei. Chrigel wird sich nicht grämen, dass er selten vorne mitarbeitete. Heute galt es, nicht abzusaufen. Wegkommen war unmöglich. Maxime Pinot (FRA) erntete die Aufmerksamkeit der Medien in Kleinarl als erster, unterschrieb das Signboard und packte für einen weiteren Aufstieg zu einem zweiten und wohl letzten Flug heute. Der Franzose leistete viel Führungsarbeit in den schwierigen Voralpen von Salzburg bis Wagrain und hat sich die Ehre der Führung verdient.
Kleine aber feine Unterschiede
Ich hätte ja gern die Unterhaltung zwischen Gavin, Manuel und Théo gehört, nachdem sie früh am Nachmittag landen mussten und gemeinsam zum Neustart aufstiegen. Sie wechselten von einem Startplatz zum andern, um möglichst weit aufzuholen. Es ist interessant zu sehen, ob sie miteinander laufen, oder auch nur zehn Meter voneinander entfernt. Jedenfalls gingen sie alle am neuen Startplatz eigene Wege. Théo ließ großzügig den Älteren den Vortritt und sah zu, wie Manuel nach Westen zur Salzach flog, Gavin nach Osten, um das Tennengebirge dort zu umwandern. Schließlich flog Théo Gavin hinterher, mit besserer Linie, besserem Speed, und ersparte sich einen oder zwei Kilometer Fußmarsch für heute spät abends. Zur Stunde wandert Manuel in der Schlucht nach Bischofshofen, Gavin steigt auf zum Tennengebirge für einen Flug und Théo wandert das Lammertal hoch. Würde mich nicht wundern, wenn die drei sich schon heute irgendwo wiedersehen. Noch ist nichts verloren und nichts gewonnen. War es ja eh noch nie nach einem Tag. Nicht einmal richtige Tendenzen kann man sehen. Aber das könnte vielleicht noch ein Weilchen so bleiben.
Ken Oguma reiht sich nach seinem Ausreißer an der Spitze ins Verfolgerfeld ein, hellbrauner Track. Thomas Friedrich und später Théo de Blic und andere Prominenz kommt aus dem Tal nicht mehr heraus. Hat es abgeschattet? Der Wind abgestellt? Der Zyklus nicht gepasst? Verflixter Ken! Da hast du Schwein gehabt.
Abends hat sich der Pulverdampf der Thermik-Schlachten in den Voralpen verzogen. Eine lange Reihe von Rucksackträgern und einer -trägerin, die Französin Laurie Genovese, steigt zum Gleitflug nach Wagrain Kleinarl auf. Pulkfliegen hat sich heute gelohnt, Ausreißer wurden exemplarisch bestraft, manche verschont, wie Chrigel Maurer und Maxime Pinot, die auch Varianten allein probierten und schließlich wieder eingeholt wurden. Hier liegt Maxime eine gute halbe Stunde vorn, schon am Signboard in Kleinarl. Partick von Känel (SUI) zieht es vor zu laufen.
Jetzt, kurz vor der Nachtruhe um 22:30 Uhr, heißt es für uns schon einmal: durchschnaufen. Die Geschehnisse bis zur Sperrstunde - und die vom morgigen Renntag Nr. 2 - findet ihr in unserem nächsten Bericht.
Text: Roli Mäder (NOVA Team Pilot)
PS: Schaut euch hier das NOVA Video von Tag 1 an.
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