Tag 6
NOVA X-Alps-Blog: FR, 25.06.2021
Das Blogger-Leben ist ein hartes
Bevor es mit dem eigentlichen Blog weitergeht, ein paar Worte von den bloggenden Bildschirm-Piloten. Roli Mäder und ich (heute schreibt wieder Till Gottbrath) sind Gleitschirm-fanatisch. Wir fliegen begeistert seit vielen Jahren und sind trotz unseres fortgeschrittenen Alters verrückt wie eh und je. Rein volkswirtschaftlich betrachtet ist unser Verhalten während der X-Alps eine Katastrophe: Wir leisten nichts. Wir kleben am Monitor. Wir sind süchtig. Immerhin können wir mit dem Blog diesen Enthusiasmus halbwegs sinnvoll kanalisieren. Hoffen wir jedenfalls.
Damit nicht auch das Hirn rechteckig wird, die Augen sind es schon, müssen wir uns ab und zu fast zwingen, doch mal vor die Tür zu gehen. Aber dann könnte man ja was verpassen… So gesehen war ein Tag wie gestern, den man eher als einen „Wandertag“ sehen konnte, überaus entspannend. Was also geschah gestern Abend nach „Redaktionsschluss“ noch?
Nachtrag Donnerstagabend: König Chrigel und Prinz Patrick
Leader Chrigel Maurer und nach ihm Patrick von Känel nahmen die Huldigungen ihrer Landsleute entgegen und trugen ihre nassen Rucksäcke zum Signboard des Turnpoints. Fiesch ist die einzige Schweizer Bodenboje dieses Jahr und die Chrigel-Fans feierten die Führung ihres regierenden X-Alps-Königs und ihren Prinzen Patrick. Derweil schwang Benoit Outters auf Platz 3 noch nach dem Eindunkeln mächtig die Beine. Er tat es, um die Schweizer-Party im Gleitschirm-Mekka Fiesch ein wenig zu «crashen». Das gelang ihm recht gut.
Aaron Durogati und Maxime Pinot schafften es nicht mehr, sich in die Turnpoint-Party hineinzuschmuggeln. Sie packten nach dem Gleitflug von der Furka ins Goms ihre feuchten Schirme und schlugen ihr Nachtlager zwei bis drei Stunden zu Fuß vor Fiesch in Reckingen an der jungen Rhone auf.
Die beiden XENON-Piloten Théo de Blic und Nicola Donini flogen nach 15 Uhr nur noch marginal. Wie schon zuvor weiter im Westen, zog jetzt auch in Österreich und Liechtenstein der Himmel flächendeckend zu. Also keine Nachteile für die gegroundeten NOVA-Piloten. Es flog niemand mehr irgendwo, außer bergab. Die Positionen auf der ganzen Route waren bezogen, respektive, es wurde gelaufen, soweit es noch Sinn machte im Hinblick auf die kommende Tagestaktik.
Tag 6: Erst warten und wandern, dann mit Bedacht fliegen
Der Überblick: Die Spitzengruppe mit Chrigel, Patrick und Benoit verließ am Morgen den Turnpoint Fiesch mit Kurs Dent d’Oche, ein gut 2000 Meter hoher Berg im Süden des Genfer Sees. Von hinten jagte derweil sehr flotten Schrittes Maxime Pinot heran. Der Franzose ist ein unglaublich kompletter Athlet: Personal Best 304 km FAI, Gewinner World Cup Superfinal, Platz 2 Red Bull X-Alps 2019, Rang 2 X-Pyr 2018, und ein bärenstarker Ultra-Läufer ist er obendrein.
Chrigel und Benoit erliegen gegen 13 Uhr zuerst der Versuchung zu starten, aber sie kommen nicht recht vorwärts, landen mehrfach ein und krebsen weiter Richtung „Knie von Martigny“. Patrick und Maxime zeigen mehr Geduld und warten. Patrick tut das gut: er ist viel gelaufen in den letzten Tagen. Das nutzt auch Aaron Durogati, um aufzuschließen.
Oberrauner, der geduldige Österreicher
Derweil pirscht sich Simon Oberrauner von hinten heran. Während die Führenden noch warten, wandert und fliegt er nach Fiesch, steigt zügig auf, fliegt dann mit sehr viel Geduld vor zum Knie, ein Stück nach Norden und quert auf die westliche Talseite, wo mittlerweile Maxime Chrigel die Führung um ein paar Meter abluchsen konnte. Benoit kam zuvor tiefer an, Patrick am tiefsten. Er beging den Fehler, nicht um die Ecke nach Norden zu fliegen und wurde über Martigny vom Wind gefressen. Zum Aufsoaren am Prallhang im Süden der Stadt reichte es dummerweise nicht.
Wenig Action im Mittelfeld
Zwischen den Führenden und dem Hinterfeld verteilen sich Paul Guschlbauer, der ein wenig den Anschluss nach vorn verloren zu haben scheint, Michael Gierlach, Tobias Großrubatscher und Damien Lacaze als derzeit bester Rookie über eine recht lange Strecke. Noch einmal ein Stück weiter zurück befinden sich Dauerläufer Toma Coconea, Tom de Dorlodot, Ferdinand van Schelven, Tom Friedrich und – jetzt mit Anschluss an dieses Mittelfeld – der furchtlose Engländer Steve Bramfitt. Er konnte Boden gut machen.
Die franko-mexikanische Fluggesellschaft
Heute gingen Théo de Blic und der Mexikaner Eduardo Garza im Laufe des Tages eine Flug- und Wandergemeinschaft ein. Offensichtlich harmonieren die beiden gut. Sie konnten innerhalb des hinteren Pulks mit Laurie Genovese, Yael Margelisch, Kaoru Ogisawa (er scheint gerade seine Batterien etwas laden zu müssen) sowie NOVA-Kollegen Nick Donini Boden gut machen.
Schock für Nick Donini
Um die Mittagszeit erhielt NOVA-Pilot Nick eine für ihn höchst frustrierende Nachricht. Er hatte eine Luftraumverletzung begangen. Zwar nur um wenige Meter, aber: drin ist drin. Da gibt es kein „halb schwanger“.
Rule violation: 6/25/2021, 12:30:00 PM: Nicola Donini (ITA3) made a rule violation 5.4. by flying into flight zone TMZ LOWI W on Thursday 24th of June at (UTC)102739-10350. He receives a penalty of 48 hours, which he has to add after his next night rest period.
Nick, der sich nach stotterndem Start bravourös in den Pulk zurückgekämpft hatte, entschied sofort zu kämpfen und zog den Night Pass. Vielleicht gelingt es ihm ja, bis zum Antritt seiner Strafe so viel Vorsprung herauszuholen, dass Gavin McClurg als derzeit Letzter ihn innerhalb der 48 Stunden nicht überholen kann. Es wird eine harte Nacht für den jungen Italiener und sein Team!
Text: Till Gottbrath (Kapitän NOVA Teampiloten)
PS: Das Video des Tages findet ihr auf YouTube. Schaut euch auch unsere X-Alps-Clips in der Facebook-Playlist an.