NOVA X-Alps Athleten-Portrait
Richard Binstead (AUS)
Was bedeutet Gleitschirmfliegen für dich?
Gleitschirmfliegen ist so cool. Ich kann mir nichts besseres vorstellen! Mit einem Flugzeug im Rucksack zu einem Startplatz zu gehen, es dort auszulegen und dann stundenlang zu fliegen… Das haut mich immer noch um. Jeder Flug ist anders und ich lerne ständig dazu. Wie wir wissen, ist es ein Sport, den man sein Leben lang ausüben kann und für den man viele Jahre braucht, um ihn zu beherrschen. Gutes Fliegen ist ein Spiel mit zwei Hälften. Es ist halb technisch und halb mental. Wenn man in einem dieser Bereiche Defizite hat, kann man sein Potenzial nicht voll ausschöpfen. Für mich ist das das Faszinierende an diesem Sport. An einem Tag kannst du rocken und am nächsten Tag fällst du wie ein Stein vom Himmel.
Erzähle uns mal von deiner Entwicklung als Gleitschirmpilot von den Anfängen bis heute!
2012 habe ich in Nepal meinen Schein gemacht. Seitdem ist das Abenteuer-Fliegen mein Hauptaugenmerk. Als Juniorpilot bin ich jedes Wochenende durch Zentralaustralien gefahren, um neue Startplätzen zu finden und mich von ein paar Hügeln herunterzustürzen. Ich war der einzige Gleitschirmpilot in der Stadt und es war mein Traum, der erste zu sein, der über diese Gebirgszüge fliegt. Ich machte es mir zur Aufgabe, so viel wie möglich zu fliegen und so schnell wie möglich zu lernen, damit ich dies sicher tun konnte. Deshalb reiste ich zurück nach Nepal und verbrachte einige Monate in der dortigen Thermik, um zu lernen, wie man Kreise fliegt.
Nach einem SIV, als ich etwa 100 Stunden hatte, ging ich mit meiner Vol-Biv-Ausrüstung nach Bir im Indischen Himalaya. Ich hatte das Glück, Bryan Moore aus Neuseeland zu treffen, ein sehr erfahrener Vol-Biv-Pilot, NOVA Team Pilot, Bergsteiger und Multi-Abenteurer. Er vertraute auf meine Fähigkeiten und nahm mich mit auf mein erstes Vol-Biv-Abenteuer. Rückblickend war dies ein entscheidender Moment in meiner fliegerischen Entwicklung. Damit konnte ich meine Fähigkeiten so weit verbessern, dass ich im entlegenen Outback Australiens sicher Soloflüge unternehmen konnte. Seitdem habe ich mich ständig weiterentwickelt. Ich betrachte mich als vielseitigen, sicheren Piloten mit Erfahrung im Flachland und den Hügeln Australiens sowie in den größeren, technischeren Bergen Neuseelands, den Alpen, dem Himalaya und den Pyrenäen. In den letzten sechs Jahren habe ich an XC-Gleitschirmwettbewerben teilgenommen und war in den letzten fünf Jahren Mitglied des australischen Gleitschirmkaders. Als zweiter Australier nahm ich an den X-Pyr teil.
Wann hast du zum ersten Mal gedacht: "Ich will bei den X-Alps mitmachen."?
Eine Woche, nachdem ich an den X-Pyr 2022 teilgenommen hatte. Während der X-Pyr litt ich an Covid. Zum Glück sagten die Organisatoren, ich könne weitermachen, wenn ich wolle. Eine Woche später dachte ich: ‚Wenn ich das mit Covid schaffe, was könnte ich dann ohne Covid erreichen?‘ Dann habe ich mich beworben, und wurde zu meiner Überraschung angenommen!
Was glaubst du, warum du als Teilnehmer ausgewählt wurdest?
Ich denke gerne, dass es an meinen erstaunlichen Flugkünsten, meinen epischen Ausdauerleistungen, meinem unglaublich guten Aussehen und meinem weit reichenden Einfluss in den sozialen Medien liegt. Aber da würde ich mir ganz schön vormachen. Ich habe wohl eine überzeugende Bewerbung geschrieben ;) Nein, ganz ehrlich, ich bin mir nicht ganz sicher, warum ich ausgewählt wurde, weil ich doch schon fast ein alter Mann bin. Vielleicht liegt es daran, dass ich ein Australier bin und sie einen Australier wollten und brauchten.
Was ist dein Ziel bei den X-Alps?
Mein Hauptziel ist es, Spaß zu haben und gute Erinnerungen für das Team Australia zu schaffen. Ich möchte für das Gleitschirmfliegen im Allgemeinen sowie für Hike & Fly-Comps in Australien und Neuseeland werben und vielleicht andere dazu inspirieren, sich der Herausforderung zu stellen.
Bitte erzähle uns von deinen Vorbereitungen. Was genau machst du?
Die Vorbereitung war wirklich sehr intensiv. Ich hatte erwartet, dass sie anstrengend sein würde, denn sie ist ähnlich wie die X-Pyr-Vorbereitung – nur eben auf Steroiden. Es wäre zu einfach, wenn es nur aus Training und Fliegen bestehen würde, oder? Nach der ersten Ankündigung habe ich mich ein paar Tage lang gefreut, aber dann ging die Arbeit los. Die Suche nach einem Team war die erste Aufgabe. Das war nicht einfach. Dann... einen Trainingsplan erstellen, über Ernährung nachdenken, arbeiten, einen Schirm und ein Gurtzeug finden (danke NOVA), trainieren, arbeiten, die Route planen, noch mehr trainieren, einen Knochen brechen, Sponsoren suchen, die Route planen, arbeiten, einen Physiotherapeuten wegen des gebrochenen Knochens aufsuchen, Flugtraining, arbeiten, den Knochen reparieren, trainieren, planen, dann noch mehr planen... spülen und wiederholen. Die Liste ist endlos lang, aber irgendwie genieße ich jede Minute.
Wie viele Stunden pro Woche steckst du in die verschiedenen Aufgaben?
Ich habe die Stunden nicht aufgezeichnet, aber es ist eine gute Idee. Jedenfalls hat der Tag nicht genug Stunden für alles! Ich würde sagen, pro Woche sind es:
- 5 Stunden allgemeine Organisation
- 5 Stunden Routenplanung zu Hause
- 15 bis 20 Stunden körperliches Training
- 5 Stunden Flugvorbereitung
- Jetzt bin ich in Österreich und werde ich die meiste Zeit mit dem Strecken-Scouting verbringen.
Wie schätzt du dich als Pilot, Athlet, Taktiker sowie mental?
Das ist knifflig. Ich habe die meiste Zeit mit Fliegen und Training in Australien, Indien und Neuseeland verbracht. Es wird super interessant sein, zu sehen, wie ich im internationalen Vergleich dastehe.
- Als Pilot bin ich mir nicht ganz sicher. Wenn überhaupt, habe ich festgestellt, dass es mir früher schwer gefallen ist, Linien zu finden, die gut tragen. Das habe ich in den letzten zwei Jahren aktiv trainiert und ich habe das Gefühl, dass ich mich jedes Mal, wenn ich fliege, verbessere.
- Als Ausdauersportler und Alpinist – vielleicht 7 von 10 Punkten. Ich bin schon mein ganzes Leben lang fit, und früher war Kraft eine meiner Stärken. In den letzten Jahren habe ich aktiv meine Ausdauer trainiert, und ich habe das Gefühl, dass ich immer besser werde. Ich habe nicht so viel Erfahrung als Alpinist, aber ich bin ein sehr begeisterter traditioneller Bergsteiger, der im indischen Himalaya, in Australien und Neuseeland neue Gipfel erklommen hat.
- Taktiker? Hmmm, ?/10 - das werde ich dem Team überlassen.
- Mental bin ich stark: 8 von 10.
Was sind deine Schwachpunkte?
Abgesehen von meinem Alter, an dem ich nichts ändern kann, würde ich sagen, dass mein größter Schwachpunkt wahrscheinlich mein Bedarf von sieben bis acht Stunden Schlaf pro Nacht ist. Der Schlafentzug wird das Schwierigste für mich sein! Mein anderer Schwachpunkt ist, dass ich auf dem flachsten Kontinent der Welt aufgewachsen bin.
Erzählen uns bitte von deinem Team! Wer gehört dazu? Wer macht was?
Das Team AUS besteht aus drei Supportern:
Nicola ist für die Logistik und Kommunikation zuständig, liefert aktuelle Informationen über die Rennstrategie, mögliche Flugrouten, das Wetter, nahe gelegene Startplätze, Wanderwege usw. Als Osteopathin übernimmt sie auch die medizinische Unterstützung des Teams.
Shane & David übernehmen den Boden- und Luft-Support. Sie werden mich in jeder Phase des Rennens unterstützen, sind meine persönlichen Sherpas, die alle nicht obligatorischen Ausrüstungsgegenstände tragen, das Wohnmobil fahren, kochen, die Flugstrategie festlegen – was auch immer nötig ist, um das Team in Bewegung zu halten.
NOVA - Nicht vergessen darf ich NOVA. Sowohl die Mitarbeiter als auch die NOVA Team Piloten waren und sind eine große Unterstützung. Uns stehen während des Rennens erfahrene Teampiloten zur Verfügung, die uns bei der Routenwahl beraten.
Wie gut kennt ihr euch?
Shane kenne ich seit etwa sechs Jahren. Wir sind schon oft zusammen geflogen und haben diverse Abenteuer zusammen erlebt. Auch Nikki habe ich vor sechs Jahren zum ersten Mal getroffen, aber erst letztes Jahr richtig kennengelernt. Sie half uns letztes Jahr bei den X-Pyr. David traf ich erst letztes Jahr in Frankreich. Shane hat David und Nikki erst vor Kurzem kennengelernt. Ich bin mir sicher, dass wir uns verstehen werden.
Wie wichtig ist deiner Meinung nach Erfahrung?
Athleten, die über umfangreiche Flug- und Wandererfahrung in den Alpen verfügen, haben wahrscheinlich einen großen Vorteil. Ich sage „wahrscheinlich", weil es manchmal vorkommt, dass einheimische Piloten die gleichen Linien nehmen, weil das ‚schon immer‘ so gemacht wurde und sie ihre Augen nicht für Alternativen öffnen. Das ist der Punkt, an dem Nicht-Locals wie ich einen Vorteil haben könnten. Wir werden so gut vorbereitet sein, wie es eben geht.
Wie wichtig ist deiner Meinung nach die Ausrüstung?
Sich mit seiner Ausrüstung wohl zu fühlen, ist in diesem Spiel das A und O. Das ist einer der Hauptgründe, warum ich NOVA liebe. Sie haben mir frühzeitig einen Schirm, ein Gurtzeug und einen Rucksack auf die anderen Seite der Welt geschickt, damit ich auf dem neuesten Stand der Ausrüstung bin. Vielen Dank, Leute!
Worauf freust du dich am meisten? Wovor hast du Angst?
Am meisten freue ich mich darauf, am Tag vor dem Start eine sehr gute Flugvorhersage zu sehen. Ich habe Angst vor einer sehr ungünstigen Flugvorhersage einen Tag vor dem Start. Im Ernst, ich freue mich darauf, durch die Alpen zu fliegen und zu wandern. Was für ein Privileg ist es doch, die Fähigkeiten und die Erfahrung zu haben, um ein solches Abenteuer zu erleben. Wir sind sehr glückliche Menschen! Am meisten Angst habe ich davor, eliminiert zu werden. Das ist eine grausame Regel – wie in einem Videospiel.
Apropos Risiko-Management: Wie willst du bei den X-Alps so gut wie möglich abschneiden und dich trotzdem nicht zu sehr in Gefahr zu begeben?
Es gibt ein Mantra, das ich benutze: Das Leben ist kurz, aber es ist nicht so kurz. Ich kenne mehrere ehemalige X-Alps-Athleten, und die meisten von ihnen sagten, sie wünschten, sie hätten die Sache nicht so ernst genommen. Es ist leicht, in den Sog des ‚X-Alps-Zyklons‘ zu geraten und zu denken, dass man hohe – unnötige – Risiken eingehen muss, weil das Ego, die Sponsoren oder der Ruhm des Gleitschirmsports im Vordergrund stehen. Wir haben uns als Team AUS fest vorgenommen, in jeder Situation Risiko und Nutzen sorgfältig gegeneinander abzuwägen.
Red Bull legt großen Wert auf die Social-Media-Aktivitäten der Athleten. Ist das nicht ziemlich stressig?
Ich versuche, es nicht stressig zu machen. Ich war bislang eher etwas nachlässig bei der Bereitstellung von Inhalten, also kann ich mich nicht allzu sehr darüber beschweren.
Lass uns über Geld sprechen: Was glaubst du, wie viel dich die Teilnahme an den X-Alps kosten wird? Wie bekommst du das Geld zusammen?
Die X-Alps sind ein teurer Spaß. Ich schätze, dass es mich einschließlich Verdienstausfall insgesamt zwischen 30.000 und 40.000 Euro kosten wird. Das war einer der schwierigsten Aspekte bei der Planung. Hier in Australien bekommen wir keine staatliche Unterstützung und nur sehr wenig Unterstützung von unserem Gleitschirmverband. Die Arbeit und die Suche nach Sponsoren nimmt Zeit vom Training weg. Ich habe mehrere Jobs angenommen, um das Ganze irgendwie zu finanzieren und ich muss auch meine Hypothek auf mein Haus abbezahlen. Andererseits ist dies eine einmalige Gelegenheit! Wir haben daher auch eine Gofundme-Seite eingerichtet. Ich bin für jede Unterstützung sehr dankbar. Vielen Dank auch an NOVA!
Ist es für dich schwierig, Sponsoren zu finden?
Ja, es war sehr schwierig. Es war fast unmöglich, Sponsoren für den Schirm zu finden. Paragliding ist ein solcher Nischensport hier in Australien!. Die meisten Leute verstehen ihn nicht. Till (NOVA Public Relations, Facebook und Teamkapitän) sagte mir, dass er es in seinen 30 Jahren in der Outdoor-Branche noch nie so schwierig gefunden hat, Sponsoren zu finden. Ich schätze, das liegt an dem globalen Finanzklima, das wir im Moment erleben. Es ist wirklich schade, denn ich denke, dass es für einige Unternehmen eine große Chance wäre. Immerhin kam jetzt noch Montane als Bekleidungssponsor dazu – danke auch nach England.
Stehst du in Kontakt mit anderen Teilnehmern?
Ich stehe in regelmäßigem Kontakt mit James Elliott aus Kanada. Wir haben uns letztes Jahr bei den X-Pyr. Ich freue mich darauf, ihn und sein Team zu wiederzusehen. Vor kurzem war ich mit Max Loidl beim Fliegen am Turnpoint Achental. Bei NOVA traf ich Junming Song aus China, der ebenfalls mit NOVA-Ausrüstung fliegt.
Gibt es sonst noch was zu sagen?
Ja, ich möchte dem NOVA-Team für seine Unterstützung danken. Ihr seid die Besten.