Wenn Träume wahr werden: Toplandung auf dem Mont Blanc
Sieben Jahre später, Mitte Juni 2019 planten ein paar Freunde und einen Hike & Fly Ausflug. Wir hatten uns den Wetterbericht und die darin prognostizierte Hitzewelle in Frankreich angesehen und entschlossen uns nach Chamonix zu fahren um dort in den hohen Bergen unser Glück zu versuchen, denn in der Schweiz war die Lage zu dem Zeitpunkt zu stabil. Wir kamen am Montag in Chamonix an und checkten erneut den Wetterbericht. Mittwoch würde DER Hammertag werden! Es war als würde uns das Universum zurufen: FLY TO THE TOP OF EUROPE! Der Wetterbericht sprach für Mittwoch von hochreichender Thermik sowohl auf der französischen als auch italienischen Seite des Mont Blanc und fast keinem Wind in 5000 Meter Höhe. Perfekte Bedingungen.
Ich wusste, dass die Landung auf dem Gipfel nicht einfach werden würde, denn dort darf absolut kein Fehler passieren. Also bereiteten meine Freunde und ich uns am Tag vorher damit vor, die Flugrouten der topgelandeten Piloten aus 2012 genau anzusehen. Zusätzlich packten wir Wanderstiefel und Steigeisen ein. Denn selbst wenn wir es schaffen würden mit dem Gleitschirm bis zum Gipfel zu fliegen – einmal gelandet wird man zum Bergsteiger und sollte bestmöglich gut dafür ausgerüstet sein.
Da waren wir also …mit 300 anderen Piloten aus ganz Europa warteten wir am Startplatz Plan Praz auf die erste Thermik, die uns nach Le Brent bringen würde. Ich startete ca. um 12:40 Uhr Richtung Süden. Nach ein wenig Hin und Her vor der Bergflanke fand ich eine sehr schöne Thermik, die mich bis auf 3600 Meter trug – hoch genug für meinen Weiterflug zum Mont Vorassay. Bevor ich jedoch dort ankam, fand ich eine weitere Thermik in der bereits ein paar Piloten kreisten, die dann alsbald nach Aiguille de Bionnassay aufbrachen. Auf Höhe von 3280 Metern machte auch ich mich auf den Weg zur Bergkette, die nach Aiguille de Bionnassay hinaufführt, welche übrigens den Übergang nach Italien markiert und mich über den Col de Mirage brachte. Dort war ich ca. 3500 – 3600 Meter hoch und flog gemeinsam mit ein paar anderen Piloten – doch wir zögerten auf die italienische Seite des Berges vorzudringen. Ich muss zugeben, die italienische Seite sieht wahnsinnig eindrucksvoll aus und wirkt viel einschüchternder als die französische. Die Gipfel sind stark zerklüftet und es gibt beeindruckende Gletscher, die sich am Mont Blanc formen.
Auf 3850 Metern angekommen, waren schließlich ein paar andere Piloten und ich der Meinung, dass die Höhe ausreicht zum Col de Mirage hinüberzufliegen - ein Flug über Felsen und atemberaubende Gletscher.
Wir folgten dem Verlauf des Gletschers (oder besser gesagt dem, was trauriger Weise davon übrig ist) bist zu einer Bergkette unterhalb des Monte Brouillard, wo wir erneut eine Thermik fanden die uns näher an unser eigentliches Ziel bringen würde. Zu dem Zeitpunkt war ich erst eine Stunde und 35 Minuten in der Luft. Diese Thermik war außerordentlich gut und angenehm und auf Höhe von 4400 Metern entschied ich mich in Richtung des Mont Blanc Gipfels weiterzuziehen. Die Thermik, die mich anschließend bis zu dessen höchstem Punkt trug, fand ich in etwa beim Picco Luigi Amedeo. Schon als ich bei 4430 Metern Höhe auf das Steigen stieß hatte ich die Vorahnung, dass mich genau diese Thermik bis an Ziel tragen würde. Ich gewann ca. zwei Meter die Sekunde an Höhe und mein Blick wanderte zwischen Gipfel und Höhenanzeiger hin und her. 4500, 4600, 4700, 4800, 4810 – ich hatte es geschafft! Ich flog über dem Gipfel des Mont Blanc! Ich war tief bewegt vor Freude und hatte Tränen in den Augen.
Zu der Zeit waren bereits einige Piloten auf dem Gipfel gelandet, doch ich entschloss mich, auf Nr. Sicher zu gehen. Vor meiner eigenen Toplandung würde ich erst einen Test-Anflug machen um die Bedingungen genau über dem Gipfel besser einschätzen zu können. Der Anflug verlief gut, also entschied ich mich in die Thermik zurückzukehren um wieder ausreichend Höhe zu machen. Im Anschluss wollte ich den gleichen Anflug erneut wagen und mit einer Toplandung abschließen.
Ich gestehe, ich war wesentlich nervöser als bei einer normalen Landung. Zum Glück habe ich nicht weit von meinem Zuhause entfernt ein Fluggebiet, in dem ich Toplandungen ausführlich üben konnte. Und bevor ich mich versah, stand ich auch schon im Schnee auf dem Gipfel. Ich raffte meinen Gleitschirm zusammen und trug ihn hinüber zu den anderen Schirmen, die bereits neben dem Landeplatz lagen. Die Leute auf dem Gipfel waren alle total euphorisch und freundlich. Jeder war quasi „high“ und machte den anderen Piloten Komplimente zu diesem außergewöhnlich guten Flug. Erstaunlicher Weise traf ich dort oben auch auf alte Bekannte, die ich jahrelang nicht gesehen hatte. Was für ein Wahnsinns-Erlebnis!
Ich blieb eine Stunde auf dem Gipfel, dann war es Zeit zum Heimflug. Ich stand in der Schlange, wartete auf eine Gelegenheit zum Start und half derweilen ein paar anderen Piloten beim Auslegen. Der Flug zurück war sehr entspannt und super schön. Ich nahm mir die Zeit über Aiguille du Midi zu fliegen und baute die restliche Höhe über dem Tal und dessen unvergesslicher Szenerie ab.
Mit Sicherheit werde ich viel von diesem Flug träumen und habe jetzt schon das nächste Abenteuer im Blick. Mein Plan: um die Bergkette des Mont Blanc fliegen.
Danke an Marin und Julien für dieses wunderschöne Erlebnis und die super Bilder!“
Joris
PS: Traurige Neuigkeiten… uns wurde gesagt, dass später am gleichen Tag ein tödlicher Unfall am Mont Blanc passiert ist. Toplandungen sind dort jetzt verboten.